Die Bestimmer

Von Lisen Adbåge,
aus dem Schwedischen übersetzt von Maike Dörries.
Ab 5, 36 Seiten
2020, Beltz & Gelberg, Weinheim
978-3-407-75811-8
€ 13,95

Bestimmer gibt es hier und anderswo. Junge und alte, mit dem einen Ziel: Macht auszuüben. Sich groß zu machen und andere klein. Beliebt sind sie nicht. Zumindest nicht von denen, über die sie bestimmen. Ein Menschheitsthema ist das. Eines, an dem sich Revolutionen und Kriege entfachen. Als Thema im Bilderbuch ist es rar. Und wenn, dann in metaphorischer Manier. So ungeschönt und direkt, wie in dem Bilderbuch Die Bestimmer von Lisen Adbåge, tritt es selten zu tage. Obwohl weder Spielplätze noch Schulhöfe frei von der Willkür der jeweiligen Bestimmer*innen sind. Gut, dass mit dem Bilderbuch den einen ein Spiegel vorgehalten und die anderen zum Widerstand ermuntert werden können. Die Bestimmer zeigt wie.

Die Bestimmer*innen sind nur zu viert. Die, die nicht mitmachen dürfen zu fünft. Obwohl sie in der Überzahl sind, müssen sie gehen. Immer wieder. Vom Schulhof werden sie verjagt, von der Schaukel auf dem Spielplatz, dem Klettergerüst, den Bäumen und vom Bolzplatz. Das ist nicht schön, sondern gemein. Dennoch besitzen die Verjagten eine Gabe, die sie ihr Schicksal annehmen lässt. Sie lassen sich von den Gemeinheiten der Bestimmer*innen nicht ihre Laune verderben. Und so finden sie, dass sie genau die richtige Anzahl zum Schaukeln sind, nämlich zwei auf jeder Schaukel „und einer zum Schwung geben“ (Seite 11). Was leider den Neid der Bestimmer*innen nach sich zieht, die ganz offensichtlich nichts mit sich anzufangen wissen. Und ihnen deshalb nichts besseres einfällt, als die fünf Freund*innen zu vertreiben. Das wiederholt sich in steter Manier. Die fünf Verjagten arrangieren sich und finden Gefallen an dem, was sie stattdessen tun. Die Bestimmer*innen ärgert das und vertreiben sie erneut.

Reeller Blick auf Spielplätze und Schulhöfe
Ließe es die schwedische Autorin dabei bewenden, wäre das Bilderbuch eine reelle Darstellung vieler Kindheiten, allerdings eine ziemlich perspektivlose. Denn über viele Bilderbuchseiten hinweg scheinen die Bestimmer*innen diejenigen zu sein, nach deren Pfeife die anderen Kinder tanzen müssen. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die Verjagten von den Zuschauenden Unterstützung erhalten. Die verfolgen zunächst das Geschehen aus den Fenstern der umstehenden Häuser. Ob neugierig, sorgen- oder neidvoll, das bleibt teilweise offen und lädt zum genauen Betrachten ein. Aber nach und nach gesellen sie sich zu den Verjagten und lassen die Gruppe der zufrieden spielenden Kinderschar anwachsen. Wer nun aber glaubt, die schiere Überzahl würde die Bestimmer*innen in Schach halten, der täuscht sich. Dazu bedarf es einer ganz anderen Erfahrung, die im Bilderbuch erst auf der vorletzten Bildseite zur Sprache kommt.

Ein Bilderbuch über Humanität und Mitmenschlichkeit
Akzeptanz, Duldsamkeit und Widerstand – gewaltfreier Widerstand – wären die Begriffe der Erwachsenen dafür. Im Bilderbuch kommen sie nicht vor. Dafür viele Kinder, von denen keines idealisiert dargestellt wird, aber mindestens zehn von ihnen mit dem starken Willen, ungestört mit ihren Freund*innen spielen zu können. Aufs große Ganze übertragen hieße das, ungestört in Frieden und Freiheit leben zu können. Ein Menschheitsthema eben, das Lisen Adbåge in ihrem sehr empfehlenswerten Bilderbuch aufgreift. Denn die Grundlagen für Humanität und Mitmenschlichkeit werden in der Kindheit gelegt. Durch reale Vorbilder oder Bilderbücher wie dieses.

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