Von Martin Schäuble
Ab 14, 224 Seiten
2017, Hanser, München
978-3-446-25702-3
€ 15,00
2017 wurde die AfD mit 12,6% Stimmenanteil als drittstärkste Fraktion in den 19. Deutschen Bundestag gewählt. Was wäre, wenn sie in einigen Jahren die stärkste Fraktion und somit Regierungspartei wäre?
Diese – hoffentlich nicht eintretende – Hypothese steht im Mittelpunkt von Martin Schäubles Roman Endland. Natürlich heißt die Partei im Buch nicht AfD sondern Neue Alternative, gleichwohl ist die Übereinstimmung Absicht und die Fiktion realer, als mir lieb ist.
Aus drei Perspektiven erzählt Martin Schäuble die Romanhandlung linear. Sie gehören Fana, einer jungen Frau aus Eritrea, die von einem Medizinstudium träumt, sowie Anton und Noah, zwei Wehrdienstleistenden. Obwohl ihre politischen Einstellungen diametral verschieden sind – Anton sympathisiert mit der Neuen Alternative, Noah hinterfragt sie kritisch –, verbindet sie eine innige Freundschaft. Ihre Kaserne befindet sich in Grenznähe zu Polen, zu ihren Aufgaben gehört die Bewachung des Grenzzaunes. Obwohl die Grenzen offiziell geschlossen sind und keine Flüchtlinge mehr nach Deutschland einreisen dürfen, versuchen immer noch viele ihr Glück. Und das, obwohl Schießbefehle umgesetzt oder aufgegriffene Flüchtlinge stante pede abgeschoben werden. Deutschland ist ein, sich in einer Sackgasse befindendes, Land: Endland. Angesichts der wirtschaftlichen und klimatischen Bedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge erscheint es Vielen noch als Hoffnungsträger, für die in Deutschland Lebenden verändert sich die Situation jedoch zunehmend in eine Art Sicherheitsverwahrung mit Freigang. Zu schnell in den Augen einzelner zivilgesellschaftlicher Gruppen, zu langsam in den Augen der Neuen Alternative. Ein Aufsehen erregendes Ereignis soll Abhilfe schaffen. Und Anton die Schlüsselfigur dabei sein …
Aus literarischer Sicht überzeugt Endland nicht. Zu viele Fäden werden angedeutet, die im Sande verlaufen. Was geschah mit Fanas Begleiter? Ihrer Freundin in Eritrea? Was mit dem Botschaftsangehörigen? Mit Karla? Politisch gesehen, verzerren Nebenschauplätze nicht den Blick auf die Aktualität des Romans. Ich vermute, dass Martin Schäuble deshalb die Kunst dem Inhalt unterordnete und die Handlung bewusst auf das Notwendigste reduzierte. Denn so offenbart er den Blick auf ein politisches System, dessen Brisanz sich auch außerhalb der AfD alias der Neuen Alternative spiegelt. Ergo ist Endland ein nachdenklich machendes Buch, ein äußerst politisches obendrein.
Der Arbeitskreis für Jugendliteratur, die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Stiftung Lesen veranstalteten im März in Leipzig eine Podiumsdiskussion zum Thema Meine Meinung zählt: Junge Menschen mit Büchern für Politik begeistern? Wie lassen sich politisches Interesse und Engagement fördern? Eine Möglichkeit wäre, ihnen ein Buch wie Endland im Gemeinschaftskundeunterricht vorzulesen. Dann käme neben Politischer Bildung sogar noch Leseförderung hinzu.