Kleiner Stern, ich fang dich auf


Von Mark Sperring, illustriert von Layn Marlow,
aus dem Englischen übersetzt von Katharina Merz.
Ab 3, 32 Seiten
2016, Gabriel, Stuttgart
978-3-522-30446-7
€ 12,99

Samstags im Kopierraum der AIM. Ich stehe am Kopierer, als eine andere Dozentin den Raum betritt. Wir kommen ins Gespräch und tauschen uns über Bilderbücher aus. Im Weggehen fragt mich Gabriele Ostertag-Weller, ob ich das Bilderbuch Kleiner Stern, ich fang dich auf kennen würde?
Ihre Empfehlung machte mich so neugierig, dass ich mir das Bilderbuch gekauft habe und hier gerne empfehle, obwohl es bereits 2016 erschienen ist.
Worin liegt also die Besonderheit des Buches, was zeichnet es aus? Es ist ein Bilderbuch, das Kinder emotional stark werden lässt, in dem es das Entwicklungsthema Versorgung versus Autarkie in wenigen Worten und plakativen Bildern auf den Punkt bringt.

In gelbem Ölzeug, mit Eimer und Kescher ausgerüstet, steht ein kleiner Junge erwartungsvoll an der Mole. Auf dem nächsten Bild ist er schon auf einem Kutter und lehnt sich weit über die Reling. „Wer passt auf den kleinen Jungen auf?“, fliegt ein einziger Satz durchs Bild. Seine Mutter, die ihn ganz fest hält, damit er sich nicht zu weit herauslehnt und ins Wasser fällt, wie auf der nächsten Bildseite zu sehen und zu lesen ist. Dieses Prinzip wiederholt sich im weiteren Verlauf des Bilderbuchs.
Auf der nächsten Seite sieht man, wie ein Sturm aufzieht und mit ihm die Frage, wer auf die beiden aufpassen würde? Der Kapitän, der sein Boot sicher durch Felsen, Sturm und Wellen zurück in den kleinen Hafen steuert. Auf den wiederum ein Stern aufpasst, was – bei Interesse – in einem Nebensatz zu der Erklärung führen kann, dass Sterne Seefahrern tatsächlich zur Orientierung dienen, früher mehr als heute.
Zuhause angekommen – der Sturm hat sich inzwischen gelegt, das Meer ist ruhig und der Himmel sternenklar – fragt der Stern, wer auf ihn auspassen würde? Noch während erwachsene Leser*innen über eine philosophische Antwort nachdenken, antwortet das zuhörende Kind vermutlich spontan „ich“. Ganz so, wie es der Junge im Bilderbuch auch tut und mit großer Selbstverständlichkeit zum Besten gibt, was er zuvor erfahren hat: Dank der Gewissheit, sicher geborgen zu sein, lässt sich Verantwortung für Andere übernehmen, sogar für Großes wie das Universum.
Wohl dem Kind, das die Erfahrung kennt, sich groß, stark und mächtig – omnipotent – zu fühlen, weil hinter ihm – auch das im Bild festgehalten – seine Eltern oder andere Bezugspersonen stehen. Diese Gewissheit lässt sie zu Persönlichkeiten heranwachsen, die Widerstandskräfte (Resilienz) entwickeln und Verantwortung übernehmen. Kinder spüren das intuitiv, auch wenn sie es nicht so sagen. Und darin liegt die Stärke des Bilderbuchs, ihrer Intuition altersgemäße Worte und Bilder zur Verfügung zu stellen, die sie sich immer wieder vergegenwärtigen können. Alleine oder mit einer Bezugsperson an ihrer Seite.

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