Erikas Geschichte


Von Ruth Vander Zee,
illustriert von Roberto Innocenti,
aus dem Englischen übersetzt von Gabriele Haefs.
Ab 5, 24 Seiten
2013, Gerstenberg, Hildesheim
978-3-8369-5770-0
€ 16,95

Menschlichkeit in Zeiten unmenschlichen Handelns. Das ist der Unterton von Erikas Geschichte, welche der Autorin im Jahr 1995, 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, erzählt wurde: „Ich wurde irgendwann während des Jahres 1944 geboren. Ich kenne mein Geburtsdatum nicht. Ich kenne meinen Geburtsnamen nicht. Ich weiß nicht, in welcher Stadt oder in welchem Land ich geboren wurde. Ich weiß nicht, ob ich Geschwister hatte oder habe. Was ich weiß, ist, dass ich nur einige wenige Monate alt war, als ich vor dem Holocaust gerettet wurde.“ (S.8)

Weil – aller Wahrscheinlichkeit nach – ihre Mutter ihren Mut, ihre Verzweiflung und ihre Liebe zusammennahm und ihr Kind in der Hoffnung, ein gütiger Mensch möge es finden, aus einer Öffnung im fahrenden Viehwaggon warf. Welche letzten Wünsche gab sie ihrer Tochter mit? Der, zu überleben, erfüllte sich, denn „auf ihrer Fahrt in den Tod“ wurde sie ins Leben geworfen. (S. 18)
Erika, wie sie seither heißt, gelangte zu jener Frau, die ihr den Namen und ein Zuhause gab. In kargen Worten schildert Ruth Vander Zee Erikas Geschichte, dennoch hinterlässt sie bleibenden Eindruck. Dazu tragen auch die fotorealistischen Illustrationen des italienischen Künstlers Roberto Innocenti bei, der bereits das erste Bilderbuch über die Shoah, Rosa Weiss (1986), in beeindruckender Weise illustrierte. Doch während Rosa ihr Leben verliert, überlebt Erika – im Bild in eine rosafarbene Decke gehüllt – dank Menschen wie Rosa, denen Menschlichkeit über alles geht.

Eine persönliche Anmerkung:
Im Schuljahr 2018/19 beschäftigte ich mich mit den jugendlichen Schüler*innen meiner Geschichtenwerkstatt mit Erikas Geschichte. Ausgehend von ihrem Schicksal setzten sich die Schüler*innen teilweise erstmals mit den menschenverachtenden Gräueltaten während des Holocausts auseinander. Außerdem entstanden mitunter sehr persönliche Gespräche zwischen der Lehrkraft, den Schüler*innen, den jugendlichen Einzelbetreuer*innen – aus Bosnien und Ukraine – und mir. Einmal mehr wurde mir dabei bewusst, welche Wirkung Worte und Bilder entfalten können, sofern die Atmosphäre das zulässt, die Beteiligten offen dafür sind und behutsam miteinander umgehen.

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