Plötzlich Millionär!

Von Rüdiger Bertram,
illustriert von Heribert Schulmeyer.
Ab 10, 248 Seiten
2020, Edel, Hamburg
978-3-96129-120-5
€ 12,99

Komödiantisch und gewohnt humorvoll ist das neue Buch Plötzlich Millionär! von Rüdiger Bertram, dennoch von erstaunlichem Tiefgang. Denn hinter der Was-wäre-wenn-Geschichte verbirgt sich eine Menge Konsumkritik, die mich positiv überraschte …

Wovon handelt das Buch? Leo hat ein Problem mit Türen. Nicht immer gelangt er dort hin, wo er möchte, wenn er eine Türe öffnet. Das kann ganz schön nervig sein. Zum Beispiel, wenn er aufs Klo will und stattdessen in einem fremden Wohnzimmer landet. Oder, wenn er gedankenverloren eine Türe öffnet und – zack! – in einer ganz anderen Zeit landet. Paralleluniversen sind das, in denen er das Nachsehen hat, schließlich kennt er sich mit den dortigen Gepflogenheiten nicht aus. Kein Wunder also, dass Schwierigkeiten vorprogrammiert sind, aus denen es nur einen Ausweg gibt: Die nächste Tür! Was mal mehr oder weniger zügig funktioniert, denn „es klappt nie, wenn man es mal dringend braucht. Dann schon gar nicht.“ (Seite 36)

„Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär‘ … wär‘ ich längst ein Millionär …“
Von wegen! Nachdem Leo im Gefängnis, wohin es ihn zwischenzeitlich verschlagen hat, auf der Suche nach einer unverschlossenen Tür statt ins Direktorenzimmer in einen Palast gelangt, ist er es. Sohn superreicher Eltern, mit eigenem Butler und „Platin-Titan-Diamant-Kreditkarte“, mit der bis zum Abwinken Geld ausgeben kann. Was er zunächst auch tut und durchaus genießt. Zumindest so lange, bis er Miriam begegnet. Die ist in der wirklichen Welt seine angehimmelte Flamme, im Paralleluniversum Eva und sammelt Unterschriften. „Ich schnappe mir eines der Flugblätter und überfliege schnell den Text. Zusammengefasst geht es wohl darum, dass man weniger kaufen soll, weil sonst die Erde kaputtgeht. (…) Ich finde das gut, aber dann fällt  mir ein, dass ich gerade zwanzig volle Einkaufstüten mit mir rumschleppe. Die fühlen sich in meinen Händen plötzlich furchtbar schwer an.“ (Seite 126)

„Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“
Von Wilhelm Buch stammt dieses Zitat, das sich – quasi als Tiefgang – durch Plötzlich Millionär! zieht. Ohne erhobenen Zeigefinger geschieht das, sondern in Leos gelassen-nachdenklicher Erzählstimme, die Rüdiger Bertram dem Roman zugrunde legt. Und den Lesenden zur eigenen Reflexion anbietet. Über all dem kommen weder Situationskomik noch Humor zu kurz, wozu – wie bereits in den Coolman-Geschichten (Hamburg: Oetinger) –  Heribert Schulmeyers charakteristische Comics beitragen. Beim Durchblättern des Buches fungieren sie als gut platzierte Eye-Catcher, die zum Reinlesen in die Story einladen und – hoffentlich – Leselust wecken. Wer anbeißt und das Buch liest, wird mit einem Roman belohnt, dessen Inhalt über die erwartbare literarische Comedy hinausreicht. Rüdiger Bertram versieht sie mit personalen Entwicklungsthemen (Familienbande, Freundschaft, Schüchternheit, Angst vor Zurückweisung, Umgang mit Geld) und gesellschaftlichen Fragen wie sozialer Gerechtigkeit und Konsumkritik.

Fortsetzung folgt
Der Eintritt in die Paralleluniversen zwingt Leo zum Innehalten und Nachdenken, zum Ausprobieren neuer Rollen und Verhaltensmuster. Alles Fragen, mit denen sich Kinder in der späten Kindheit oder Vorpubertät beschäftigen. In Plötzlich Millionär! werden sie auf höchst unterhaltende Weise aufgegriffen und hoffentlich in den Folgebänden fortgesetzt. Denn am Ende nimmt zwar alles ein gutes Ende, aber dennoch sind weder die Geschichten von Leo und Miriam/Eva, Leo und Masud/Tarek noch die zwischen ihm und Ludwig, seinem Butler, zu Ende erzählt. Bleibt die Frage, wie lange wir warten müssen, bis Leon wieder so blöd ist, eine Tür zu öffnen?

 

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