Von Max Brooks,
aus dem Englischen übersetzt von Josef Shanel und Matthias Wissnet.
Ab 10, 320 Seiten
2018, Schneiderbuch ∙ EGMONT, Berlin
978-3-505-14072-3
€ 14,00
Minecraft gehört zu den beliebtesten PC-Spielen der Welt. Erschienen im Jahre 2009, wurden seine Editionen laut Minecraft Wiki bisher weltweit mehr als 100 Millionen Mal verkauft. Die Welt voller Ecken und Kanten begeistert Kinder ebenso wie Jugendliche und Erwachsene, von denen Max Brooks einer ist. Der Schriftsteller und Drehbuchautor, Sohn der Schauspielerin Anne Bancroft und des Komikers Mel Brooks, schrieb den ersten offiziellen Minecraft-Roman. Minecraft – Die Insel erzählt die Robinsonade eines in der Würfelwelt Gestrandeten, dessen Überlebensstrategien sich mit Lebensweisheiten der realen Welt kreuzen.
Die Minecraft-Welt ist quadratisch, und, wie es auf der Homepage nachzulesen ist, „ein Spiel über Blöcke und Abenteuer“. Was wäre, wenn eines Tages jemand in diese Welt käme, ohne je zuvor von ihr gehört zu haben? Diese Person würde sich wundern und versuchen, irgendwie ihr Überleben zu sichern, voller Hoffnung, die Insel eines Tages wieder verlassen zu können.
Das dachte sich offensichtlich auch Max Brooks und erzählt retrospektiv, was sich in der Zeit zwischen der Ankunft und dem Verlassen der Insel ereignet haben könnte. Aus der Ich-Perspektive der gestrandeten Figur schildert er deren Erlebnisse im Sinne eines Überlebenshandbuches für andere Ankömmlinge: „Dieses Buch, das du gerade liest, war der letzte Gegenstand im letzten Handbuch, das ich gefunden habe … Erstaunlich, wie am Schluss alles zusammenpasst.“ (S. 313)
Ghule und Skelette, Selbstgespräche aufgrund fehlender Gesprächspartner*innen, und die „ultimativ“ zu lernende Lektion: „Ich habe so hart auf ein Ziel hingearbeitet und dabei nicht begriffen, dass der Weg das Ziel ist. Das ist es, was mich stärker macht, klüger und zu einem besseren Menschen. Um als Mensch zu wachsen, darfst du es dir nicht in deiner Komfortzone gemütlich machen, du musst aus ihr ausbrechen.“ (S.313)
Doch gerade in der Übereinstimmung der Handlungs- mit der Metaebene liegen die Schwächen des Romans. Wer ihn liest, kennt die Minecraft-Welt und liebt sie. Ergo benötigen die Leser*innen keine ausführlichen Beschreibungen des Suchens und Ausprobierens, die binnen kurzer Zeit zu langweilen beginnen. Hätte der Autor dem Roman einen zusätzlichen Handlungsstrang hinzugefügt – wie es Karl Olsberg in seiner Würfelwelt-Triologie tat –, läse er sich anders. So bleibt er die Beschreibung eines Spiels, das, so man es kennenlernen wollte, besser spielend täte. Oder ist das Buch ein PR-Gag, um, noch die letzten, nicht Minecraft spielenden Heranwachsenden, mittels der Lektüre auf das Spiel aufmerksam zu machen?
Auf der Metaebene sind es die Lektionen, die die Figur im Laufe ihres Insellebens lernt. Als Quintessenz können sie – immerhin 35 Stück! – in einer Liste am Ende des Buches nachgelesen werden. Keine der Lebensweisheiten ist verkehrt, dennoch wirken sie an dieser Stelle und vor dem Hintergrund des Romans wie ein moralischer Appell, der, sich seiner Bedeutungslosigkeit bewusst, umso deutlicher in den Mittelpunkt drängt und dabei – Hand aufs Herz –, völlig wirkungslos bleibt, weil sich niemand 35 Lebensweisheiten en bloc merken will. Oder kann, weil sie nicht erfahren wurden, obwohl der Roman mit den Worten endet (S. 314): „Deine Werke formen diese Welt, umgekehrt formt diese Welt auch dich und deinen Charakter.“
Dem Schlusssatz vorangestellt ist die Botschaft „Ich hoffe, meine Erkenntnisse helfen dir, deinen Weg zu finden.“ Meine Erkenntnis lautet, wer Minecraft liebt, soll es spielen; wer ein Buch lesen will, lese ein anderes.