Frauentag: Recht auf Bildung und Entfaltung

[08.03.2021] Heute ist internationaler Frauentag. Die Gelegenheit also, um wieder einmal auf die Chancengleichheit von Mädchen und Frauen in aller Welt aufmerksam zu machen. Auf die Ungleichbehandlung, die es leider auch in Deutschland gibt. Wenn nicht an Mädchen und Frauen und ihre Fähigkeiten geglaubt wird. Wenn Frauen in Büchern mit Berufsbildern nur 11 mal vertreten sind, Männer jedoch 21 mal.

Was doppelt bedauerlich ist: Nicht nur, dass gleichermaßen Frauen und Männer alle dargestellten Berufe ergreifen können, wenn sie möchten. Nein, auch die schiere Mehrzahl der männlichen Figuren zeigt, was Mädchen und Frauen zugetraut wird – oder nicht. Darüber kann auch die Internationalität der dargestellten Figuren nicht hinweg trösten. Das ist schade, denn ein Elementarbuch für Kinder ab zwei Jahren wird immer wieder zur Hand genommen und „studiert“. Sein Inhalt prägt und kann deshalb die Aussaat vieler Vorannahmen sein, was Mädchen und Frauen können. Oder nicht können. Damit dieses Buch trotzdem eine positive Wirkung entfalten kann, braucht es viele Gegenentwürfe. Und Fingerspitzengefühl seitens der erwachsenen Bezugspersonen – egal welchen Geschlechts!

Chancengleichheit für Mädchen und Frauen
Einen solchen Gegenentwurf vermitteln jene, die zu dem Bilderbuch über Malala Yousafzai greifen. Denn sie stellen ein mutiges Mädchen, eine mutige junge Frau in den Mittelpunkt ihres Erzählens für Kinder ab acht Jahren:
Malala – Für die Rechte der Mädchen.
Das Bilderbuch endet mit einer Fotodokumentation über Malala Yousafzai, überschrieben mit den Worten „Lernen ist ein Menschenrecht“ (S. 37). Malala fordert dazu auf, die Umsetzung des Rechts „des Kindes auf Bildung […] auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen“ (Die Rechte des Kindes, Artikel 28). Ein Recht, an dessen Umsetzung auch in Deutschland immer noch Bedarf besteht, wie internationale Bildungsvergleiche belegen.

Bildungschancen in Deutschland
Vor allem, wenn Kinder – Mädchen und Jungen gleichermaßen – weder aus der Mittel- noch der Oberschicht stammen. Wenn ihnen ihre Eltern nicht bei den Schulaufgaben helfen können. Wenn es keine Menschen in ihrem Umfeld gibt, die an sie glauben. Davon erzählt Christian Baron eindrücklich in seinem autobiografischen Roman Ein Mann seiner Klasse. Nicht umsonst erhielt er dafür den Literaturpreis Aufstieg durch Bildung der Mannheimer noon foundation.

Vorbilder sind gefragt – und Begleiter*innen
Ada Lovelace bekam diese Bildungschance. Obwohl sie ein Mädchen war und im 19. Jahrhundert lebte. Aber sie hatte das Glück, in eine wohlhabende Bildungsbürgerfamilie hinein geboren zu werden. Denn ihre Herkunft alleine hätte im 19. Jahrhundert nicht als Grund für eine umfassende Bildung gereicht. Ada Lovelace hatte sie der Durchsetzungskraft ihrer Mutter zu verdanken. Sie sorgte dafür, dass Ada nicht nur eine schöngeistige, sondern auch eine naturwissenschaftliche Bildung erhielt.
Als Mathematikerin wurde sie zur Pionierin einer Maschine, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist:
der Computer. Ein technisches Gerät, das in Pandemie-Zeiten einmal mehr die Chancenungleichheit zutage fördert.

Sorgen wir dafür, dass es nicht dabei bleiben muss!

 

Bildung: Neues Schuljahr

[12.09.2020] An diesem Wochenende enden auch in Baden-Württemberg die Sommerferien. Nicht erst seit heute drehen sich meine Gedanken um das neue Schuljahr und das, was es mit sich bringen mag. Für mich bedeutet es die Wiederaufnahme der Geschichtenwerkstatt, einem literaturpädagogischen Projekt für Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf. Für Lehrer*innen und alle weiteren pädagogischen Fachkräften bedeutet es, kognitives und emotionales Wissen weiterzugeben und für eine Atmosphäre zu sorgen, in der beides zu vermitteln ist. Und für Schüler*innen heißt es, offen dafür zu sein und lernen zu wollen. Flankierend zu diesen Rahmenbedingungen bleibt das Coronavirus eine zusätzliche Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass es nicht zum Hinderungsgrund für Leseförderung und nachhaltiges Lernen wird.

Perspektivwechsel: Weltflüchtlingstag

Manchmal hilft es, die Perspektive zu ändern. Anlässlich des Welttages der Geflüchteten kann ein Gedankenspiel à la „was wäre, wenn …?“ dazu beitragen, die eigene Einstellung zu überdenken.

Was wäre, wenn wir in unseren Breiten nicht mehr leben könnten? Wenn Willkür und Krieg herrschten? Oder die Temperaturen derart anstiegen, dass die Flüsse austrockneten und die Felder noch mehr vertrockneten, als sie es ohnehin tun? Was wäre, wenn …? Wären wir dann diejenigen, die sich auf die Suche nach einem anderen, lebenswerteren Ort begäben? Einen Ort, an dem wir unsere Liebsten sicher wüssten und uns selbst auch? Was wäre, wenn?

Dieses Gedankenspiel ist Grundlage vieler lesenswerter Bücher. Zwei Bilderbücher (ab fünf Jahren) – wovon eines auf einem Freud’schen Versprecher basiert – und ein Essay bringen es gekonnt zum Ausdruck:

Flucht von Niki Glattauer (Text) und Verena Hochleitner (Illustration) (2016, Innsbruck-Wien: Tyrolia) ist ein überraschendes Buch. Überraschend, weil es aus der Sicht einer Katze erzählt wird. Die haben sieben Leben, was auf einer Flucht ganz hilfreich ist. Überraschend wegen der Sprache, die weder verharmlost noch ängstigt, sondern während träumender Erinnerungen oder hoffnungsvoller Träume poetisch die Handlung voran treibt. Überraschend wegen der Visualisierung derselben, wenn verlorene Realitäten im Meer versinken, Meereswogen wie Monster erscheinen oder sich zu himmelblauen Traumhäusern verwandeln. Und überraschend wegen seines Endes, das hier keinesfalls verraten wird.

Tiere stehen auch im Mittelpunkt von Pudel mit Pommes von Pija Lindenbaum (2018, Hamburg: Oetinger). Neben Pudeln noch drei Jack Russell Terrier mit Namen Ullis, Ludde und Katta. Die haben ein schönes Leben, genug zu essen und sogar einen Pool. Aber das ändert sich. Die Kartoffeln gehen aus und weil es so heiß ist, wachsen keine neuen mehr. Schweren Herzens verlassen sie deshalb ihr Zuhause, kehren nochmals um, überleben eine Bootsfahrt und treffen schließlich auf drei Pudel. Die haben, was sie nicht mehr haben: Nahrung, Kleidung, Wohnraum. Ob sie zum Teilen bereit sind?

In ihrem Essay Krieg
(2011, München: Hanser)
formuliert die dänische Schriftstellerin Janne Teller für jugendliche und erwachsene Leser*innen einen Rollentausch.
Keinen spielerisch freiwilligen, sondern einen kriegsbedingt notwendigen, denn der beschriebene Konflikt findet in Deutschland statt. Kein Wunder, dass viele das Land verlassen und auf dem afrikanischen Kontinent ihr Glück versuchen, wo sie stattdessen in einem ägyptischen Flüchtlingslager stranden.
So auch die Familie jenes Jugendlichen, der sein Schicksal – wem? – erzählt. Den Behörden, die ihm keine Aufenthaltsgenehmigung  bewilligen? Ohne die er keine Schule besuchen kann, kein Arabisch lernen, keine Arbeit finden und keine Perspektive entwickeln kann. Oder den Leser*innen, die durch die Lektüre – hoffentlich – ins Nachdenken kommen?

Wer dann einen Schritt weiter gehen möchte, dem sei noch das Bilderbuch Einfach nett empfohlen. Denn Freundlichkeit gegenüber anderen Menschen ist der erste – und einfachste – Schritt, um zu vermitteln, was Mit-Menschsein bedeutet: Würde, Respekt und Wertschätzung nicht nur für sich selbst zu beanspruchen, sondern auch zu leben. Würdig, respektvoll und wertschätzend gegenüber allen. Damit alle ebenso leben können.