Manchmal hilft es, die Perspektive zu ändern. Anlässlich des Welttages der Geflüchteten kann ein Gedankenspiel à la „was wäre, wenn …?“ dazu beitragen, die eigene Einstellung zu überdenken.
Was wäre, wenn wir in unseren Breiten nicht mehr leben könnten? Wenn Willkür und Krieg herrschten? Oder die Temperaturen derart anstiegen, dass die Flüsse austrockneten und die Felder noch mehr vertrockneten, als sie es ohnehin tun? Was wäre, wenn …? Wären wir dann diejenigen, die sich auf die Suche nach einem anderen, lebenswerteren Ort begäben? Einen Ort, an dem wir unsere Liebsten sicher wüssten und uns selbst auch? Was wäre, wenn?
Dieses Gedankenspiel ist Grundlage vieler lesenswerter Bücher. Zwei Bilderbücher (ab fünf Jahren) – wovon eines auf einem Freud’schen Versprecher basiert – und ein Essay bringen es gekonnt zum Ausdruck:
Flucht von Niki Glattauer (Text) und Verena Hochleitner (Illustration) (2016, Innsbruck-Wien: Tyrolia) ist ein überraschendes Buch. Überraschend, weil es aus der Sicht einer Katze erzählt wird. Die haben sieben Leben, was auf einer Flucht ganz hilfreich ist. Überraschend wegen der Sprache, die weder verharmlost noch ängstigt, sondern während träumender Erinnerungen oder hoffnungsvoller Träume poetisch die Handlung voran treibt. Überraschend wegen der Visualisierung derselben, wenn verlorene Realitäten im Meer versinken, Meereswogen wie Monster erscheinen oder sich zu himmelblauen Traumhäusern verwandeln. Und überraschend wegen seines Endes, das hier keinesfalls verraten wird.
Tiere stehen auch im Mittelpunkt von Pudel mit Pommes von Pija Lindenbaum (2018, Hamburg: Oetinger). Neben Pudeln noch drei Jack Russell Terrier mit Namen Ullis, Ludde und Katta. Die haben ein schönes Leben, genug zu essen und sogar einen Pool. Aber das ändert sich. Die Kartoffeln gehen aus und weil es so heiß ist, wachsen keine neuen mehr. Schweren Herzens verlassen sie deshalb ihr Zuhause, kehren nochmals um, überleben eine Bootsfahrt und treffen schließlich auf drei Pudel. Die haben, was sie nicht mehr haben: Nahrung, Kleidung, Wohnraum. Ob sie zum Teilen bereit sind?
In ihrem Essay Krieg
(2011, München: Hanser)
formuliert die dänische Schriftstellerin Janne Teller für jugendliche und erwachsene Leser*innen einen Rollentausch.
Keinen spielerisch freiwilligen, sondern einen kriegsbedingt notwendigen, denn der beschriebene Konflikt findet in Deutschland statt. Kein Wunder, dass viele das Land verlassen und auf dem afrikanischen Kontinent ihr Glück versuchen, wo sie stattdessen in einem ägyptischen Flüchtlingslager stranden.
So auch die Familie jenes Jugendlichen, der sein Schicksal – wem? – erzählt. Den Behörden, die ihm keine Aufenthaltsgenehmigung bewilligen? Ohne die er keine Schule besuchen kann, kein Arabisch lernen, keine Arbeit finden und keine Perspektive entwickeln kann. Oder den Leser*innen, die durch die Lektüre – hoffentlich – ins Nachdenken kommen?
Wer dann einen Schritt weiter gehen möchte, dem sei noch das Bilderbuch Einfach nett empfohlen. Denn Freundlichkeit gegenüber anderen Menschen ist der erste – und einfachste – Schritt, um zu vermitteln, was Mit-Menschsein bedeutet: Würde, Respekt und Wertschätzung nicht nur für sich selbst zu beanspruchen, sondern auch zu leben. Würdig, respektvoll und wertschätzend gegenüber allen. Damit alle ebenso leben können.