Vor wenigen Tagen, am 19. März, wurde Kirsten Boie 70 Jahre alt. Und wird nicht müde, für das Lesen zu werben, Netzwerke zu schmieden und an gesellschaftspolitisch Verantwortliche zu appellieren, dass jedes Kind Lesen lernen muss. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zeichnete sie deshalb im Juni 2019 als „Förderin des Buches“ aus und im Dezember wurde sie Ehrenbürgerin der Stadt Hamburg. Doch wer Kirsten Boie schon einmal begegnete, weiß, dass es ihr nicht um die Ehre geht. Preise und Auszeichnungen erhielt sie bereits in früheren Jahren zuhauf. Und schon damals machte sie sich fürs Lesen stark, wie in ihrer Dankesrede nachzulesen ist, die sie 2007 anlässlich der Verleihung des Sonderpreises des Deutschen Jugendliteraturpreises für ihr Lebenswerk hielt.
Kirsten Boie setzt sich fürs Lesen ein, weil sie passionierte Leserin ist.
Weil sie weiß, welche Bedeutung Lesekompetenz für die Entwicklung eines Menschen hat. Die Quintessenz ihrer Gedanken, verbunden mit ihrer persönlichen Lese-Geschichte, hat ihr Hamburger Hausverlag Friedrich Oetinger in dem kleinen Büchlein Das Lesen und ich anlässlich ihres Geburtstages veröffentlicht. Ein Geburtstagsgeschenk, das in Corona-Zeiten nicht unbeachtet bleiben soll und in Post-Corona-Zeiten hoffentlich wieder an die Notwendigkeit nachhaltiger, qualifizierter und finanzierter Leseförderung appelliert.
Was das mit Hamstern zu tun hat, fragen Sie sich vielleicht?
In meinem Beitrag Hamstern I schrieb ich über Bücher, die wohltuend für die Seele sind.
In Das Lesen und ich greift Kirsten Boie dieses Phänomen ebenfalls auf:
„Wenn ich lese, wird der Text eines fremden Autors in meinem Kopf zu meinem eigenen und anders als der irgendeines anderen Menschen. Weil mein Leben und meine Erinnerungen andere sind als seine. Wenn ich lese, springt mein Gehirn in Mikrosekunden zwischen fremdem Text und eigenem Erinnerungs- und Gefühlsspeicher hin und her (…), und darum setze ich mich beim Lesen eines fremden Textes, das ist ein Paradox, immer auch mit mir selbst auseinander. (…) Jede Lektüre ist damit automatisch eine kleine Psychotherapie. Ist das nicht großartig? Warum sollten wir darauf verzichten?“ (Das Lesen und ich. 2020, Hamburg: Oetinger. Seite 52/53)
Ja, warum sollten wir darauf verzichten?
Deshalb meine ich: Hamstern Sie Lesestunden!
Für sich persönlich oder gemeinsam mit Ihren Kindern. Lesen Sie vor und genießen Sie die Wirkung, die aus der Atmosphäre des gemeinsam Gelesenen entsteht. Lassen Sie sich auf die „kleine Psychotherapie“ ein, wie Kirsten Boie es formuliert. Literatur hat entlastende und heilende Wirkung, davon bin auch ich überzeugt.