Leben, lieben, sterben

Tod und Trauer im (Bilder-)Buch

„Manchmal ist es die Geschichte selbst, manchmal der Rhythmus der Sprache, die uns Leser verzaubern und dabei ihre Wirkung auf unsere Seelen entfalten, sei sie nun beruhigend oder stimulierend. Manchmal ist es eine Idee oder die Einstellung einer der Figuren, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie wir selbst.“
Ella Berthoud & Susan Elderkin

In: Die Romantherapie. 253 Bücher für ein besseres Leben.
Aus dem Englischen übersetzt von Katja Bendels und Kirsten Riesselmann. 2013, Berlin: Insel Verlag. Seite 10

Bilderbücher zum Thema Tod greifen existenzielle Erfahrungen und Fragen künstlerisch auf. Dazu bedienen sie sich ästhetischer Vielfalt, märchenhafter Elemente oder versuchen reales Leben abzubilden. Sie sind Gesprächsangebot und Erklärungshilfe, Ratgeber und Trostspender zugleich – für Kinder und Erwachsene.

Weil nicht jedes Buch für jede Situation geeignet ist, finden Sie hier eine Literaturliste, die zur Orientierung dient. Außerdem werden hin und wieder (Bilder-)Bücher ausführlicher vorgestellt.

Wenn ein Stern vom Himmel fällt von Mem Fox, illustriert von Freya Blackwood, aus dem Englischen übersetzt von Tatjana Kröll.
Leben, Lieben, Sterben, Werden und Vergehen ist das Themas des poetischen Bilderbuchs. Märchenhaft in Wort und Bild beschreibt es den Kreislauf des Lebens. Schicksalsschläge spart es aus und lässt „den Stern“ – im Buch eine weibliche Figur – nach einem langen und erfüllten Leben zurück ans Firmament kehren. Damit greift die Autorin ein tröstendes Bild auf, das seit Menschengedenken kolportiert wird: Die Sterne am Firmament sind unsere Angehörigen. Sie leben nicht mehr auf Erden, sind aber dennoch „um uns.“
Diesem Trost an die Seite gestellt ist die Feier des Lebens, als welche das Bilderbuch ebenfalls gelesen werden kann. Behutsam greift es die schwer auszuhaltende Dialektik des Lebens auf und „umhüllt“ Kinder – und Erwachsene – mit dem Trost, den die Geschichte spendet. Oder mit ihrer sprühenden Lebensfreude, die über den Tod hinaus reicht.

 

Die Schneeschwester von Maja Lunde
Das erste Weihnachtsfest ohne eine geliebte Person ist besonders schwer. Das Fest der Familie kratzt an der Wunde des Verlusts, einerlei ob sie im Januar oder Dezember erlitten wurde. Manchmal entsteht daraus das Bedürfnis, Weihnachten einfach „ausfallen“ zu lassen. Davon erzählt Maja Lunde in Die Schneeschwester –  todtraurig und ungemein lebensbejahend zugleich.
Julian ist ein Weihnachtskind, ein Glückskind. Aber in diesem Jahr will sich weder die Vorfreude auf seinen Geburtstag noch auf Weihnachten einstellen. Seine ältere Schwester starb und die Trauer um sie lässt seinen Eltern keinen emotionalen Raum für Weihnachtsstimmung. Das will Julian nicht hinnehmen. Nicht für sich, weil er an Weihnachten Geburtstag hat, nicht für seine kleine Schwester Augusta und noch viel weniger für seine tote Schwester Juni. Er spürt, dass die Familie ihren Tod annehmen muss, um weiterleben zu können. Diesen Prozess mitzuerleben, ist herzzerreißend und gerade deshalb so berührend – auch über Weihnachten hinaus.

 

Füchslein in der Kiste von Antje Damm
Antje Damms Guckkasten-Technik lässt uns am Fuchs-und-Hase-Treiben auf einem Waldfriedhof teilhaben. Die Hasen sind Kaninchen und fühlen sich dort pudelwohl und zuhause. Daran ändert auch die Ankunft des Fuchses nichts. Im Gegenteil, das weiße Kaninchen findet seine Ankunft aufregend und rasch sind auch die anderen Kaninchen überzeugt, dass von dem Fuchs keine Gefahr (mehr) droht. Der ist nämlich uralt, hat keine Zähne mehr und mag nur noch Tomatensuppe. Frech ist das und zugleich wohltuend entlastend, sich so dem Thema Tod zu nähern. Denn der naht unweigerlich, wenngleich bis dahin noch ein bisschen Zeit vergeht, in der sich die Kaninchen mit dem Fuchs anfreunden. Er erzählt ihnen aus seinem Leben, von seiner Fuchsfrau und den 28 gemeinsamen Kindern. Sie lachen und toben und haben großen Spaß miteinander. Und weil sie sich so gut aneinander gewöhnt haben, kommt auch der Tod des Fuchses nicht überraschend für sie. „Geh nicht!“, betteln sie (S. 25) trotzdem und können ihn dennoch nicht verhindern. Aber auch dann wissen sie, was zu tun ist, nämlich Abschied nehmen und dem Fuchs ein würdiges Begräbnis bereiten. Sogar mit Lied. Wissen Sie, welches es ist?

 

Papas Arme sind ein Boot von Stein Erik Lunde, illustriert von Øyvind Torseter, aus dem Norwegischen übersetzt von Maike Dörries.
Papas Arme geben Halt. Beiden, Vater und Kind. Unwichtig, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt. Die Partnerin fehlt, die Mutter. Kein Wunder, dass die Farben Schwarz, Weiß und Grau die Bildcollagen dominieren. Dennoch mischen sich hier und da Orangetöne ins Bild. Sie sind Boten einer vergangenen Zeit und Hoffnung auf die Zukunft zugleich. Sie lassen Stein Erik Lundes Worte Hoffnung atmen, die er dem Vater in den Mund legt.
Papas Arme sind ein Boot ist kein leichtes Buch. Aber, Hand aufs Herz, wann ist der Tod der Geliebten, der Mutter leicht? Gerade diese Ernsthaftigkeit macht das Buch so empfehlenswert. Es verschweigt nicht die Leere, die der Tod für die Liebenden nach sich zieht, es beschönigt nichts. Im Gegenteil, es bildet die Leere, die Trostlosigkeit des Vaters ab. Und obwohl seine Trauer immens ist, sind seine Arme dennoch ein Boot. Ein sicherer Ort für das Kind, den es angesichts des Todes ganz besonders braucht.